BELARUS NEWS AND ANALYSIS

DATE:

12/12/2006

Mutiger Widerstand

Sacharow-Preis fur Alexander Milinkewitsch

Alexander Milinkewitsch hat dem wei?russischen Prasidenten Alexander Lukaschenko die Stirn geboten. Zwar unterlag er bei der mutma?lich gefalschten Wahl im vergangenen Marz, doch bei den anschlie?enden Protesten gegen das Regime stellte er sich unter Einsatz seiner Freiheit an die Spitze der Opposition und schwachte Lukaschenko in dessen internationalem Ansehen. Heute wird Milinkewitsch vom Europaparlament der Sacharow-Preis verliehen. Tatjana Montik und Florian Kellermann berichten.

Minsk im Marz, der Tag vor der Prasidentenwahl. Alexander Milinkewitsch tritt zum letzten Mal in der Offentlichkeit auf. Er steht an einer Kreuzung in einer Vorstadt der wei?russischen Hauptstadt. Es sind nur ein paar hundert Menschen, die an diesem Tag gekommen sind, um im zuzuhoren, was er zu sagen hat. Kein Wunder: Hier fotografieren nicht nur Journalisten, sondern auch die Spitzel des Geheimdienstes. Naturlich wei? der Oppositionelle, dass er die Schlacht langst verloren hat. Das Wahlergebnis steht bereits fest, und auf ihn warten mindestens zwei Wochen Gefangnis. Trotzdem bleibt der Mann mit dem grauen Vollbart sachlich. Pathos liegt ihm nicht, und auch in dieser Hinsicht zeigt er sich als ein echter Gegenkandidat zum polternden Diktator Lukaschenko.

Selbst vor der Verleihung des Sacharow-Preises bleibt Milinkewitsch bescheiden.

"Dieser Preis ist fur mich eine gro?e Freude, denn damit zeichnen die Europaer nicht nur mich aus, sondern viele Tausende wei?russische Burger. Ich meine diejenigen, die nach der gefalschten Wahl protestierten, die ihre Angst uberwanden und Zivilcourage gezeigt haben. Dieser Preis ist fur uns alle eine gro?e moralische Unterstutzung."

Uber 30.000 Menschen kamen nach der Wahl auf den verschneiten Minsker Oktoberplatz, obwohl sie wussten, dass sie mit Sanktionen am Arbeitsplatz oder in der Universitat rechnen mussten. Viele von ihnen landeten auch fur einige Tage im Gefangnis. Dass sie den Glauben an ein demokratisches Wei?russland nicht verloren hatten, war auch ein Verdienst von Alexander Milinkewitsch und fur den Politiker ein Zeichen, das Hoffnung macht.

"Um die Machthaber in die Knie zu zwingen, brauchen wir vor allem Massendemonstrationen, und zwar noch viel gro?ere als im Marz. Da muss die Opposition noch viel Arbeit leisten, denn unsere Medienmoglichkeiten sind sehr begrenzt."

Im kommenden Januar finden in Wei?russland Regionalwahlen statt. Die Chancen der Opposition sind dabei gleich Null, denn der Unterdruckungsapparat ist seit diesen Marz-Demonstrationen eher noch machtiger geworden.

"Wir beteiligen uns an diesen Wahlen trotzdem. Wir gehen von Tur zur Tur und werden mit den Menschen sprechen. Ich personlich werde mich im Wahlkampf fur einige Kandidaten engagieren. Wir mussen den Menschen eine Alternative fur unser Land zeigen: ein Leben ohne Angst vor politischen Repressionen."

Aber genau das fallt auch der Opposition immer schwerer. Fur die Prasidentenwahl im Marz einigten sich die Oppositionsparteien - mit Ausnahme der Sozialdemokraten - zwar auf Milinkewitsch als ihren Kandidaten, doch dieses Bundnis droht nun wieder zu zerbrechen.

Der Minsker Politologe Walerij Karbalewitsch

"Der Grund dafur ist, dass die Opposition vor allem von der Unterstutzung aus dem Ausland abhangig ist - moralisch, ideologisch und finanziell. Und da es keinen wirklichen politischen Wettbewerb gibt, kampfen die Politiker weniger um Wahler und echte Veranderungen, als vielmehr um die auslandischen Sponsoren. Leider hat die Opposition seit der Prasidentenwahl noch kein neues Projekt entwickelt, dass sie als Bewegung einen konnte."

Milinkewitsch sieht in der Zersplitterung eine gro?e Gefahr. Er hofft, dass vielleicht auch die Verleihung des Sacharow-Preises an ihn die Einheit der Demokraten starkt.

"Der Kampf einzelner Parteien gegen das Regime ist sinnlos: So konnen wir die Burger nicht erreichen. Denn einen Dialog zwischen Gesellschaft und politischen Parteien gibt es nicht in unserem Land. Wir befinden uns in einer Art Kriegszustand. Deshalb muss die Opposition demokratisch ihre Fuhrungsspitze wahlen und sich dieser dann wie unter Kriegsbedingungen unterordnen."

Source:

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/europaheute/572835/

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