BELARUS NEWS AND ANALYSIS

DATE:

19.07.05 21:00 Uhr

Uniformen vom Diktator

Frontal21: Wei?russland schneidert fur Deutschland

Mehrere deutsche Bundeslander und der Bund sind gute Kunden der letzten Diktatur in Europa. Nach Recherchen von Frontal21 lassen mindestens Sachsen, Hamburg, Niedersachsen, Brandenburg, Hessen und NRW Polizeihemden in einer Naherei in Wei?russland fertigen.

von Joachim Bartz und Thomas Reichart , 28.06.2005

Frontal21: Wei?russland schneidert fur Deutschland

Mehrere deutsche Bundeslander und der Bund sind gute Kunden der letzten Diktatur in Europa. Nach Recherchen von Frontal21 lassen mindestens Sachsen, Hamburg, Niedersachsen, Brandenburg, Hessen und NRW Polizeihemden in einer Naherei in Wei?russland fertigen.

Auch der deutsche Zoll und die Bundeswehr beziehen Uniformteile aus dem einzigen europaischen Land, zu dem Deutschland wegen standiger Verletzungen der Menschenrechte nur eingeschrankte Beziehungen unterhalt.

Vom fruhen Morgen bis spat in die Nacht: In zwei Schichten arbeiten mehr als tausend Frauen in der Nahfabrik von Dserschinsk, nahe der Stadt Minsk. Seit zehn Jahren werden hier Hemden fur die deutsche Polizei gefertigt. Die Auftragslage ist dank der Deutschen blendend. "Jetzt arbeiten wir gerade an einem Auftrag fur Niedersachsen," sagt die Produktionschefin Olga Trusjewitsch. "Einige tausend Hemden. Ende der Woche sind wir fertig."

Auftraggeber schweigen

Die Angestellten sind stolz darauf, dass sie einen so wichtigen Kunden wie die deutsche Polizei ausstatten. Ist sie mit der Qualitat zufrieden, gilt das als Auszeichnung in Wei?russland - einem Land, in dem Polizei und Geheimdienst das Sagen haben.

Die deutschen Auftraggeber scheint das nicht zu storen. Die zustandigen Innenministerien, Zoll und die Bundeswehr bestatigen gegenuber Frontal21, dass sie Uniformen aus Nahstuben in Lukaschenkos Reich beziehen oder bezogen haben. Zu einem Interview ist allerdings niemand bereit.

Bundestag kritisiert Regierung

Die EU und der Deutsche Bundestag kritisieren seit Jahren die undemokratische Politik der Regierung in Minsk. Der Allgemeine Rat der EU entschied 1997, die politischen Beziehungen zu Wei?russland so lange einzuschranken, bis sich die Situation bessert. Der Bundestag forderte Wei?russland 1997 und im Jahr 2000 in fraktionsubergreifenden Entschlie?ungen auf, zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zuruckzukehren. Bislang ging die Fuhrung des Landes unter Prasident Alexander Lukaschenko allerdings nicht auf die Forderungen ein.

In der Nahfabrik von Dserschinsk ist jeder Auftrag willkommen und wird umgehend ausgefuhrt. Flexible Arbeitszeiten und 120 Euro Monatslohn machen vieles moglich. Niemand hier beklagt sich, im Gegenteil. Die deutschen Auftrage sorgen fur Lohn und Brot - die Nahfabrik ist mit Abstand der gro?te Arbeitgeber von Dserschinsk. Und wer wei?, was nicht noch alles moglich ware, meint die Produktionschefin, wurde Wei?russland nicht von einem Diktator wie Lukaschenko regiert.

Eine weissrussische Naherin arbeitet fur die deutsche Polizei

Die Naherinnen verdienen etwa 120 Euro im Monat.

Angst geht um

"Ja", sagt auch der Generaldirektor der Nahfabrik, Wassilij Romanow, geradeheraus, "das stort das Geschaft, wir konnten noch ganz andere Auftrage an Land ziehen, wenn die Lage nicht so ware, wie sie ist." Dann fallt dem Generaldirektor ein, dass er zu weit gegangen ist - Kritik am Staat ist gefahrlich in Wei?russland. Aus Angst bricht er das Interview ab.

Angst verbreitete schon der Namensgeber der Stadt: Feliks Dserschinski, Organisator des Roten Terrors und Grunder des sowjetischen Geheimdienstes, er stammt aus dieser Gegend. Dserschinsk, 40 Kilometer westlich von Minsk, ist tiefste Provinz. Doch unter dem Tarnmantel landlicher Idylle werden in der Nahfabrik heikle Geschafte mit dem Westen gemacht. Die Einkunfte fullen letztlich auch die Steuerkasse der Staatsmacht in Minsk.

Opposition wird unterdruckt

In der wei?russischen Hauptstadt herrscht Friedhofsstille. Der Polizeistaat hat die Gesellschaft fest im Griff. Das Parlament verdient den Namen nicht, denn auch hier hat Prasident Lukaschenko das Kommando. Eine politische Opposition wird schon im Ansatz erstickt.

Die Wei?russen sind Lukaschenkos Willkur ausgeliefert. Nach der gefalschten Parlamentswahl im vergangenen Herbst gingen zahlreiche Menschen auf die Stra?e. Die Anwesenheit der internationalen Presse wollten sie nutzen, um auf Menschenrechtsverletzungen in Wei?russland aufmerksam zu machen. Die Proteste wurden umgehend niedergeknuppelt, es waren bis heute die letzten. Der Diktator wettert gegen alles und gegen jeden. Widerspruch gibt es nicht. Demokratische Oppositionelle werden verfolgt und inhaftiert.

Source:

http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/18/0,1872,2327986,00.html


Google